Das Filmplakat steht in der Geschichte des Grafikdesigns immer wieder für gestalterische Innovation. Die ersten konstruktivistischen Plakate der Stenberg-Brüder haben die Sehgewohnheiten in den späten 1920er-Jahren ebenso herausgefordert wie die radikal verknappten Filmankündigungen von Jan Tschichold. Die polnische Schule der Plakatkunst brachte in der Nachkriegsära ikonische Filmplakate hervor, kubanische Gestalterinnen und Gestalter folgten nach 1959 ihrem Beispiel. Zeitgleich verhalfen in der ehemaligen Tschechoslowakei unter anderem Milan Grygar, Karel Vaca und Josef Vylet’al dem Filmplakat zu internationalem Ruhm. In Deutschland waren es Filmverleihe wie Neue Filmkunst Walter Kirchner oder Atlas-Film, die mit Aufträgen an Hans Hillmann oder Dorothea Fischer-Nosbisch eine neue Ästhetik einforderten. Die in dieser Publikation vorgestellten Werke illustrieren eine Geschichte des Filmplakats, die sich als Gegenentwurf zum Hollywoodplakat, seinem motivischen Kanon und seiner pathetischen Dramatik, versteht. Die unorthodoxe Bildsprache dieser «anderen» Filmplakate verzichtet weitgehend auf Starporträts und Filmstills. Subtil-poetisch, häufig mehrdeutig, werden Filme individuell interpretiert, Bildmaterial kreativ verfremdet und der Inhalt zum Symbol verdichtet. Bis in die Gegenwart hinein feiern einzelne Gestalterinnen und Gestalter das Filmplakat so als autonomes künstlerisches Medium. Mit einem Essay von Christina Thomson und Beiträgen von Anna Berkenbusch, Jianping He, Vasilis Marmatakis und Giselle Monzón Calero